Diesmal hatte ich ein Thermometer dabei: Es zeigt 8 Grad minus, als wir vor dem Tor von Birkenau standen und auf die Museumsführerin warteten. Wir, das waren die 20 SchülerInnen der Willy Brandt Gesamtschule Kerpen, Ute Kürschner, meine Wenigkeit und – die Schulministerin Sylvia Löhrmann, mit Begleitung. Eine Ministerin sieht man in echt nur selten und diese hier war nicht etwa für irgendeine offizielle Feier gekommen, sondern um mit echten SchülerInnen durch Birkenau zu gehen. Es war Samstag, denn auch dieses Mal waren wir über´s Wochenende hier.
Am Sonntag war der 27.Januar – der „Tag der Befreiung“. 1945 an diesem Tag erreichte die „Rote Armee“ Stadt und Lager von Auschwitz. Befreit wurden die polnischen Bewohner der Gegend und ca. 3000 kranke Lagergefangene, die beim Abmarsch der SS überraschender Weise nicht umgebracht worden waren. Die gesunden nahm die SS mit. Das Morden ging also weiter.
Traditionell gibt es also zwei Gedenkfeiern an diesem Tag: eine im Lager und eine im Ort. Bei letzterer legen „Delegationen“ Kränze oder Blumengestecke am Kosciuszko-Platz nieder (Tadeusz Kosciuszko war im 18.Jahrhundert ein polnischer Freiheitskämpfer und ist im Wawel begraben). Hier finden sich Teilnehmer der örtlichen Bildungseinrichtungen ein, Honoratioren Oswiecims und ausländische Besucher so wie wir.
Holocaust-Überlebende kommen nachmittags nach Birkenau. Das führte dieses Jahr dazu, dass wir zu spät kamen, obwohl wir pünktlich waren. Wie das? Man hatte früher angefangen, damit die alten Leute nicht so lange frieren mussten. Als wir eintrafen ‚kamen uns die Teilnehmer bereits entgegen. Alleine also legten wir unsere Rosen an das Denkmal. Trotzdem ein bewegender Moment.
Tadeusz Sobolewicz war nicht dabei, er kann nicht mehr reisen. Wir trafen ihn in seiner Heimatstadt Krakow am Freitag. Mit großer Anstrengung hielt er seinen Vortrag. Dann verkaufte und signierte er seine Bücher – wie immer beim Besuch von Willy-Brandt-SchülerInnen hatte er zu wenig dabei, denn fast jeder will eins haben.
Da wir abends eine Gesprächsrunde mit Ministerin Löhrmann und den Leuten von der „Stiftung Erinnern ermöglichen“ hatten, war die freie Zeit für die schöne Stadt Krakow etwas kurz.
Erstmalig ist die Fahrt von jener Stiftung gesponsert worden (neben unserem altem treuen Sponsor, dem Deutsch-Polnischen Jugendwerk). Ohne diese Zuschüsse könnten wir nicht fahren.
Donnerstags hatten wir das Stammlager besichtigt und die Krypta von Harmeze. Am Mittwoch machten wir einen Oswiecim-Rundgang mit Besuch der Synagoge. An diesem Tag waren wir ziemlich müde, denn es war der Hinreisetag, der für jeden Einzelnen wohl mitten in der Nacht begonnen hatte. Der Flug über Wien ging von Düsseldorf um 7:20 Uhr. Ähnlich anstrengend war die Rückreise am Montag, die meisten waren erst kurz vor Mitternacht zu Hause.
Jürgen Seitz