Auschwitz 75 Jahre befreit

Jeder 27. Janu­ar ist ein Gedenk­tag. An die­sem Tag, im Jahr 1945, rück­te die Armee der Sowjet­uni­on in das Gebiet der pol­ni­schen Stadt Oswie­cim ein und damit auch in das Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger Ausch­witz, das aus drei getrenn­ten Gebäu­de­kom­ple­xen bestand.
Dort fan­den die Sol­da­ten eini­ge tau­send kran­ke und halb­ver­hun­ger­te Häft­lin­ge vor. Trotz inten­si­ver Bemü­hun­gen der haupt­säch­lich aus Rus­sen bestehen­den Armee star­ben in den dar­auf fol­gen­den Wochen noch vie­le der geschwäch­ten Häft­lin­ge. Ihre Grä­ber kann man heu­te noch in Oswie­cim sehen. Die Deut­schen waren geflo­hen, rechtzeitig. 

„Der Tag der Befreiung….Befreiung, ha!“ Tade­usz Sobo­le­wicz hat­te unse­ren Schü­ler­grup­pen auf den Ausch­witz­fahr­ten 2002 bis 2013 vie­le Male ein­dring­lich über sei­ne Erleb­nis­se als Häft­ling berich­tet. Er war zunächst in Ausch­witz ein­ge­sperrt wor­den, wur­de spä­ter aber in ande­re KZ ver­legt, so dass er in all den Jah­ren nicht über die­sen Tag rede­te, weil er ja nicht dabei war. (Ich selbst hat­te ihn natür­lich öfters gehört.) Aber ein­mal tat er es dann doch: „Befreiung…ha!“ Was mein­te er? Nun, das ist ganz klar (wie ja Sobo­le­wicz immer ganz klar war): die meis­ten Häft­lin­ge wur­den gar nicht befreit, son­dern beim Abzug der SS ein paar Tage vor­her auf einen „Todes­marsch“ mit­ge­nom­men. Vie­le tau­sen­de Häft­lin­ge, zu Fuß nach Wes­ten, weg von der Front, durch win­ter­li­che Käl­te und Schnee, unter Bewa­chung. Man muss sich einen sehr lang­ge­streck­ten Zug von Men­schen vor­stel­len, bei dem die Lang­sa­men immer mehr zurück blei­ben, und bei dem am Ende des Zuges die jeweils Letz­ten von der SS erschos­sen wer­den. Todes­marsch. Eigent­lich braucht man kei­ne Fan­ta­sie, denn Elie Wie­sel war dabei gewe­sen und hat es in sei­nem Buch „Nacht“ beschrieben.

Am Mon­tag 10. Febru­ar bricht wie­der eine Schü­ler­grup­pe der WBG nach Polen auf um Ausch­witz zu besich­ti­gen, das natür­lich heu­te ein Muse­um ist. Das macht unse­re Schu­le nun seit 21 Jah­ren, jedes Jahr, immer im Win­ter. Eigent­lich unglaub­lich.
War­um? Ist das alles nicht schon zu lan­ge her? Was inter­es­siert jun­ge Men­schen denn so an die­ser grau­sa­men Geschich­te? Nun, das ist ganz klar, Tade­usz Sobo­le­wicz wuss­te es, und das ist der Grund, war­um er mein „Lieblingszeitzeuge“war: „Mei­ne jun­gen Freun­de“, sag­te er, „das ist IHR Auf­trag, wenn ich nicht mehr da bin: Erzäh­len sie das wei­ter! Damit so etwas nicht mehr pas­sie­ren kann. Nie mehr!“ Er fehlt uns. 2015 ist er mit 90 Jah­ren ver­stor­ben. Die aktu­el­le Schü­ler­grup­pe muss ohne ihn aus­kom­men. Man kann ihn aber im Film sehen. Und den Auf­trag anneh­men.

Jür­gen Seitz

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